Grambowski – alles vor seiner letzten Roll

Grambowski – alles vor seiner letzten Rolle

Schon in der Volksschule erkennt seine Lehrerin, dass er eine gewisse Begabung für die Bühne hat. Daher gibt sie dem jungen Grambowski meistens die Hauptrollen in den Schultheaterstücken, die in der Regel entweder kurz vor Weihnachten oder auf dem Sommerfest der Schule aufgeführt werden. Seine Mutter ist dann immer mächtig stolz auf ihn. Sie setzt sich jedes Mal in die zweite Reihe. So kann sie, die aufgrund einer Sehschwäche trotz einer dicken Brille nicht sonderlich gut sieht, das Geschehen auf der Bühne noch recht gut verfolgen und gleichzeitig den vor ihr Sitzenden von hinten zuraunen, dass das da oben ihr Sohn sei. Sein Vater hingegen kann den Darbietungen des Sprösslings nicht sonderlich viel abgewinnen. Er besucht die Theateraufführungen nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Und irgendwie – er weiß selbst nicht, warum – irgendwie schämt er sich immer ein wenig. Viel lieber würde er es sehen, wenn sein Sohn als Mittelstürmer die heimische Jugendfußballmannschaft zur Meisterschaft schießen würde, oder wenn er zumindest bei „Jugend forscht“ mitmachen und vielleicht ein paar Preise abräumen würde. Immerhin verbietet er dem Jungen das Theaterspielen nicht. Inwieweit das daran liegt, dass sein Vater sich immer wieder in unregelmäßigen Abständen heimlich mit Grambowskis Lehrerin in der leerstehenden Mansarde des Vereinshaus der örtlichen Blaskapelle trifft– zu dem sein Vater als stellvertretender Vorsitzender einen Schlüssel besitzt, das bleibt reine Spekulation.

Nach der Schule macht Grambowski eine Lehre zum Industrieschlosser. Die Lehrstelle hat ihm sein Vater besorgt. Der ist nämlich selbst Industrieschlosser gewesen, bis er wegen seiner Kriegsverletzung nicht mehr weiter in dem Beruf arbeiten konnte. Nach dem Krieg hat er dann bei der Kreisverwaltung angefangen zu arbeiten. In der Poststelle, als Bote.  Aber das sei eigentlich kein richtiger Beruf, zumindest nicht für einen Mann, sagt sein Vater immer und deshalb ist es ihm so wichtig, dass sein Sohn einen ordentlichen Beruf erlernt. Und weil er sich noch immer mit einigen  alten Kollegen aus der Schlosserei  einmal im Monat zum Skatspielen in der Kneipe trifft, ist es ein Leichtes, seinen Sohn dort als Lehrling unterzubringen.

Es ist nicht sein Ding. Obwohl Grambowski sich redlich bemüht. Gespürt hat er das schon in der ersten Woche im Betrieb. Dort wird eigentlich nur gebrüllt – weil es so laut ist in der Werkstatt bei all dem Hämmern, Schweißen und Schneiden, weil der Auftraggeber Druck macht und alles zack zack gehen muss, weil man als Lehrling den Hof nicht ordentlich gekehrt hat, weil man sich nicht so anstellen soll, weil man zwei linke Hände hat und ein Weichei ist, weil man das Pausenbier nicht rechtzeitig kalt gestellt hat, weil das doch wohl nicht sein kann, dass so einer der Sohn vom Grambowski Senior sein soll und weil brüllen auch noch nie jemandem geschadet hat.

Nach drei Monaten bricht Grambowski ab und sein Vater zusammen. Schlaganfall. Sofort ins Krankenhaus. Zwei Wochen liegt er nur so da, dann ist es vorbei. Die Beerdigung bleibt im überschaubaren Rahmen.  Der Pastor, seine Mutter, zwei, drei Kollegen aus der Kreisverwaltung und die Blaskapelle. Man steht unter Schirmen, denn es regnet. Einige Skatbrüder aus der Schlosserei stehen auch am Grab. Diesmal brüllt keiner von ihnen. Stattdessen legen sie einen Kranz nieder. Auf der Schleife steht: „Du warst ein ganzer Kerl. Ruhe in Frieden, deine Schlosserjungs“ . Das „Du“ ist unterstrichen, warum auch immer. Der Pfarrer macht es recht kurz, was möglicherweise daran liegt, dass sich der Verstorbene zu Lebzeiten nur äußerst selten in der Kirche hat sehen lassen, vielleicht liegt es aber auch an dem stärker werdenden Regen. Die Volksschullehrerin ist auch da. Steht ein bisschen abseits.  Am Friedhofstor fragt sie Grambowski, was er denn jetzt so mache. Grambowski zögert einen Moment, dann sagt er, er werde jetzt Schauspieler. In diesem Moment zuckt ein Blitz vom Himmel herab und fast zeitgleich huscht ein kurzes Lächeln über das tränenverschmierte Gesicht der Lehrerin. Dann donnert es, sie streichelt ihm kurz die Wange und verschwindet.

Im Folgenden spricht Grambowski bei einigen Schauspielschulen vor und siehe da, eine nimmt ihn dann tatsächlich auf. Es ist nicht die renommierteste der Schauspielschulen und Grambowski hätte sich schon gewünscht, in einer großen Stadt zum Schauspieler zu reifen, aber es ist auf jeden Fall besser als Eisentore zusammenzuschweißen und so lässt er sich an der nicht so renommierten kleinen Schauspielschule in der Provinz zum Schauspieler ausbilden.

Die folgenden Jahre dort sind für Grambowski die ersten in seinem Leben, in denen er sich richtig fühlt. Richtig, in dem, was er tut und richtig in dem, wie er ist. Das ist neu, das ist spannend, das ist lustvoll. Das ist ein bisschen wie Ankommen. Hier lernt Grambowski, wie man eine Rolle überzeugend spielt und je mehr ihm dies gelingt, umso mehr kann er seine eigene loslassen.

Nach drei Jahren hat Grambowski dann das Schauspieler-Diplom in der Tasche. Und es dauert gar nicht lang, da hat er auch schon ein Engagement an einem richtigen Theater. Seine Mutter ist mächtig stolz auf ihn und erzählt es sofort in ihrer Nachbarschaft herum.  

Zugegeben, es ist kein großes Theater, keins in einer der Metropolen dieses Landes. Aber es ist ein professionelles Theater. Und es ist nagelneu.

Exkurs: Dass eine Stadt dieser bescheidenen Größe überhaupt ein eigenes Theater unterhält, das lag an der Ehekrise des dortigen Bürgermeisters. Dessen Gattin  liebte nämlich das Theater, konnte aber nur selten  hingehen, weil  die nächste große Stadt ziemlich weit weg war, weil sie keinen Führerschein hatte und weil man als Frau sowieso nicht alleine ins Theater ging – das hätte nur Gerede geben, und privates Gerede ist nie gut für einen Bürgermeister.
Und weil ihr Mann abends meist irgendwelche Sitzungstermine und damit keine Zeit hatte, mit seiner Frau  ins Theater zu fahren, hockte sie meistens Zuhause, hielt das Essen warm und strickte Socken für ihre Nichten und Neffen. Und das war sie dann irgendwann leid Zunehmend schlecht gelaunt, verliert sie auch die Freude am Kochen – dabei hatte sie immer so gerne und auch ziemlich gut gekocht – und plötzlich schmeckte ihr Essen so, wie sich ihr Leben anfühlte: fad. Und dies führte zu einer existentiellen Krise in der Ehe des Bürgermeisters und seiner Frau. Denn, was die beiden seit jeher verband, war ihre gemeinsame kulinarische Leidenschaft. Ihre fürs Kochen und seine fürs Essen. Diese kulinarische Symbiose war von Beginn an quasi das Fundament ihrer Ehe gewesen.  Und als dies nun wegzubrechen drohte, galt es gegenzusteuern. Und weil nicht nur sein leibliches Wohlergehen und ihre gemeinsame Ehe auf dem Spiel stand, sondern auch die nächste Bürgermeisterwahl vor der Tür, brachte der Bürgermeister die Idee mit dem eigenen Stadttheater aufs Tablett. Damals hatten die Städte noch Geld für sowas. Und im Ort gab es zudem noch einen Fleischereigroßbetrieb, dessen Geschäfte sehr gut liefen und dessen Chef entgegen dem Klischee eines Metzgers viel übrig hatte für die Kultur. Und dessen Frau sang außerdem mit der Frau des Bürgermeisters zusammen im Kirchenchor. Und dieser ehemals Dorfmetzger und nun Fleischgroßhandelsunternehmer wollte das Projekt Stadttheater großzügig unterstützen. Die Frau des Bürgermeisters war begeistert! Die Fleischgroßhandelsunternehmerfrau ebenso genauso wie der ganze Kirchenchor und eigentlich auch der Rest der Stadt. Na ja, vielleicht nicht alle aber zumindest mehr als die Hälfte und das sollte ja reichen für die bevorstehende Bürgermeisterwahl. Und was soll man sagen: Die Rechnung des Bürgermeisters ging auf: Er wurde wiedergewählt, das Theater gebaut, seine Ehe gerettet und  das Essen, das  schmeckte endlich wieder.
Seitdem ist das Stadttheater der kulturelle Mittelpunkt der Stadt. Hier trifft sich alles, was im Ort Rang und Namen hat und alle, die sich dies noch erwerben wollen, kommen sogar noch eine Viertelstunde früher zum Sektempfang vor der Premiere. Man putzt sich ordentlich heraus fürs Theater. Denn so ein Theaterabend ist ja mehr als  nur ein kulturelles Erlebnis, es ist die perfekte Gelegenheit zu zeigen, was man so hat. Wer trägt das eleganteste Kleid, wer den teuersten Schmuck, wer fährt mit dem größten Wagen vor? Ein who ist who der haute volé eines deutschen Mittelstädtchens, deren Mitglieder nun endlich einen Ort haben, an dem sie ihre versammelten Statussymbole des im Laufe des Wirtschaftswachstums der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte erworbenen Reichtums zur Schau stellen können. Ende des Exkurses.

Und hier an diesem kleinen, aber nagelneuen Stadttheater, bekommt Grambowski also ein Engagement. Es ist das erste Theater, bei dem er vorgesprochen hatte nach seiner Schauspielausbildung und er war zuerst selbst ein wenig überrascht, dass er sogleich einen Vertrag angeboten bekam. Kurz überlegt er, ob er es nicht doch noch woanders, an größeren und vielleicht sogar an richtig großen Theatern versuchen sollte, aber dann entscheidet er sich dagegen, was auch an Marie, der Inspizientin liegt, die so feine, zarte Hände hat, wie er sie bei noch niemandem gesehen hat. Und die ihm darüber hinaus von Zeit zu Zeit ihr hübsches Lächeln schenkt.

Im ersten Jahr am Theater spielt Grambowski noch kleinere Rollen: Diener, Boten, Schurken und so. Im zweiten Jahr soll er den Pfarrer in dem Musical „der Mann von La Mancha“ spielen. Eine Woche vor der Premiere erleidet der Hauptdarsteller auf der Probe einen Herzinfarkt und so entscheidet der Regisseur kurzerhand, dass Grambowski als „Don Quijote“ einspringen müsse, weil er der einzige Mann im Ensemble ist, der auch noch leidlich singen kann. Und was soll man sagen? Es wird ein großer Erfolg. Die Honorationen der Stadt stehen Schlange für ein Foto mit dem „Ritter von der traurigen Gestalt“ der sie mit seiner Präsenz, seiner Strahlkraft, seiner ganzen Schauspielkunst verzaubert hat. Im Feuilleton der Regionalzeitung wird die Inszenierung im Allgemeinen und Grambowskis schauspielerische Leistung im Besonderen  ausgiebig gewürdigt. Er wird in eine Hörfunksendung eingeladen und dort interviewt und sogar das Regionalfernsehen bringt in der Länderschau einen zweiminütigen Beitrag – direkt vor der Wetterkarte. Zusatzvorstellungen werden angesetzt und das Stück wird zunächst in die nächste, später dann auch in die übernächste Spielzeit mit auf den Spielplan genommen. Volles Haus!

Marie schenkt Grambowski inzwischen nicht nur immer öfter ihr bezauberndes Lächeln sondern auch einen Zweitschlüssel zu  ihrer kleinen Mansardenwohnung ganz in der Nähe des Theaters. Dort wohnt sie zusammen mit Franz, einem übergewichtigen Kater mit  Nierenproblemen, den sie über alles liebt und der immer mit in dem ohnehin schon recht schmalen Bett schläft. Er ist so korpulent, dass für Grambowski wenig Platz blieb und er es daher meistens vorzieht, die Nächte auf einer dünnen Matte unter dem Dachfenster zu verbringen. Da dies jedoch ziemlich unbequem ist und es dort irgendwie immer zieht, leidet Grambowski des Öfteren an einem steifen Nacken, was einerseits unangenehm ist aber auch den ein oder anderen Vorteil mit sich bringt. Diese leichte Nackensteifheit passt nämlich sehr gut zur Figur des „Don Quijote“, der alles andere als grazil und mit einer gewissen Unbeholfenheit von einem ins  nächste Abenteuer stürzt. Außerdem massiert Marie ihm dann vor und nach der Vorstellung den verspannten Nacken. Mit ihren zarten, feinen Zauberhänden tut sie das in einer Weise, die in Grambowski ein großes Glücksgefühl aufkommen lässt. Ein wenig bedauert er jedoch, dass Marie ihm die wohltuenden Massagen nur im Theater zukommen lassen kann. Denn immer, wenn sie es zuhause bei sich machen will, pisst der eifersüchtige Franz auf den Teppich.

In der 3. Spielzeit bleiben immer mal wieder einzelne Plätze leer, erst im Parkett, später dann auch im 1.Rang. Aus den freien Plätzen werden freie Reihen und am Ende dieser Spielzeit wird das Stück dann vom Spielplan gestrichen. Und Grambowski bekommt keine Hauptrolle mehr. Der Intendant meint, man habe sich jetzt ein bisschen satt gesehen an ihm und es wäre besser, wenn er vorübergehend ein paar kleinere Rollen spielen würde. Da gäbe es ja auch ein paar sehr spannende und überhaupt sei das doch die größte Herausforderung für einen Schauspieler, eine Nebenrolle zum Glänzen zu bringen.
Nach dieser Spielzeit läuft Grambowskis Vertrag ab. Und wird nicht verlängert. Ebenso ergeht es ihm mit Maries Massagen – und ihrem Lächeln. Das schenkt sie nun immer häufiger dem Lohmeier, das ist einer seiner Kollegen. Sie bittet Grambowski, ihr seinen Zweitschlüssel zurückzugeben und als kurz darauf ihr Kater Franz stirbt, ist es Lohmeier, der sie trösten und kurz darauf auch dessen Platz in Maries Bett einnehmen darf.

Beides tut weh und so zieht Grambowski in eine andere Stadt, in eine große, wo er hofft, Marie vergessen und ein neues Engagement finden zu können.  Beides klappt mäßig. Einen feste Anstellung bekommt er nicht, aber immerhin gelingt es ihm, ein paar Gastrollen in zwei, drei kleineren Theatern zu ergattern. Keine wirklich großen Rollen, die auch nicht genug einbringen, um davon leben zu können, aber immerhin.  Als ihn ein Bekannter erzählt, dass sein Chef noch Taxifahrer suche, da überlegt Grambowski nicht lang und 14 Tage später kutschiert er seinen ersten Fahrgast durch die Stadt.

Die Arbeit gefällt ihm ganz gut -natürlich lang nicht so gut, wie die Schauspielerei aber doch deutlich besser als zum Beispiel irgendwelche Schlösser schmieden und sich dabei von Kollegen anbrüllen lassen zu müssen. Mit den Fahrgästen, die gesprächig sindn, unterhält Grambowski sich gerne, denn so vergeht die Zeit schneller. Bei den Fahrgästen, die es vorziehen zu schweigen, entwirft er im Geiste Geschichten über sie. Er gibt ihnen einen Namen, einen Beruf und  – das ist ihm der liebste Teil seinen fantastischen Gedanken – er versieht sie mit einem wichtigen Auftrag, in dem sie gerade mit ihm hier im Taxi unterwegs sind – ein enorm wichtiges Dokument überbringen zu müssen, einem jungen Chirurgen-Kollegen bei einer komplizierten OP beizustehen, oder am allerbesten: die Welt vor einem drohenden Angriff aus dem Weltall zu retten!  Die meiste Zeit über aber steht Grambowski mit seinem Taxi am Taxistand und wartet auf Fahrgäste. Und diese Zeit kann er super nutzen, um seine Rollentexte für die Theaterproben zu lernen. Doch die werden im Laufe der Zeit immer rarer, seine Taxischichten zwangsläufig immer mehr. Nur so kann er die Miete für seine bescheidene Ein Zimmer-Küche-Klo-Einliegerwohnung weiter aufbringen.

Und für Bier. Das wird nämlich im Laufe der Jahre nicht nur deutlich öfter von ihm konsumiert sondern auch immer teurer, und das, obwohl in Grambowskis Eckkneipe, zu deren Stammgästen er bald zählt, obwohl dort die Preise für Bier und Schnaps zu den günstigsten in der ganzen Stadt zählen. Besonders das Herrengedeck ist dort unschlagbar günstig. Und die Gäste können dort auch anschreiben lassen – wovon Grambowski anfangs selten, später regen Gebrauch macht. Die Wirtin erinnert ihn ein bisschen an Marie. Also nicht so wirklich, eigentlich nur ihr Lächeln, und das auch erst nach dem fünften oder sechsten Herrengedeck. Dann verspürt er immer so einen dumpfen, nicht greifbaren Schmerz irgendwo tief drin in seiner Brust, der erst nach ein paar weiteren Gedecken wieder verschwindet.

So geht es eine ganze Zeit weiter. Tagsüber Taxi fahren, abends in die Kneipe gehen. Irgendwann bekommt Grambowski zufällig von einem Fahrgast mit, dass das Kinder- und Jugendtheater im benachbarten Stadtteil ganz dringend einen Schauspieler für die Rolle eines Piratenkapitäns in einem Pippi Langstrumpf-Stück sucht. Grambowski ist fast ein wenig überrascht über sich selbst als er dem Fahrgast, der sich als Intendant des kleinen Theaters herausstellt, sagt, dass er das übernehmen könne. Und – schwupps – hat er die Rolle.  Und in der nächsten Produktion noch eine und danach wieder eine und bald gehört er zum festen Ensemble des Theaters. Die Proben sind immer abends, weil die meisten Schauspieler tagsüber arbeiten müssen. Bis tief in die Abendstunden hinein proben sie zusammen. Oder bauen gemeinsam Kulissen, streichen Wände an oder reparieren kaputte Scheinwerfer. Eine schöne Zeit. Grambowski hört auf zu trinken und kann bald seine Texte wieder schneller auswendig lernen und sich auch länger merken.

Am Taxistand lernt Grambowski eine nette Kollegin kennen. Gerda. Sie hat fast so zarte Hände wie Marie. Sie kommen zusammen und nach zwei Jahren ziehen sie in eine gemeinsame Wohnung. Es hat nicht so viel mit Liebe zu tun, aber es ist allemal besser als allein zu sein.  Als Gerda nach dem Tod ihrer Mutter anfängt zu trinken, bleibt er standhaft. Zumindest meistens. Sie kann bald nicht mehr arbeiten, ist häufig schwermütig. Ein paar Jahre später bekommt sie Brustkrebs. Sie kämpft dagegen, so gut sie das kann, aber die Krankheit ist stärker. Auch bei Gerdas Beerdigung regnet es.

Als Grambowski nach dem Leichenschmaus in eine Polizeikontrolle gerät, wird er mit 2,2 Promille rausgewunken. Führerschein weg, Job weg. Er wird zum Empfänger von Sozialhilfe und muss wieder in eine kleinere Wohnung umziehen. Das Kinder- und Jugendtheater ist inzwischen geschlossen worden. Die Stadt hat kein Geld mehr für Kultur. Grambowski findet keinen neuen Job mehr, steckt aber nicht auf und arbeitet ehrenamtlich als Leiter der Theater AG eines katholischen Jungengymnasiums. Das hätte er sich auch nicht zu träumen gewagt, als eingefleischter Atheist. Die Arbeit mit den jungen Leuten macht ihm aber viel Freude und hält ihn jung – zumindest behauptet Grambowski das.

So gehen die Jahre dahin, Sozialhilfe heißt irgendwann Harz 4. Und ist deutlich weniger. Das Jungengymnasium trennt sich von Grambowski, weil es einen anderen Ehrenamtler gefunden hat, der die Theater AG jetzt leiten soll. Der hat zwar wenig Ahnung von Theater, aber ist katholisch! Man muss halt Prioritäten setzen!

Grambowskis Knochen wollen nicht mehr so recht.  Es fällt ihm immer schwerer, die Treppe zu seiner Wohnung im 3.Stock rauf- und runterzukommen. Zum Glück kaufen seine Nachbarn manchmal für ihn ein, einmal im Monat saugt seine Nachbarin auch mal bei ihm durch und hilft ihm beim Wäsche waschen.

Irgendwann vergisst Grambowski dann immer häufiger, den Müll vor die Tür zu stellen. Den Nachbarn macht er manchmal nicht mehr auf, weil er keine Fremden reinlässt, es riecht zunehmend streng aus seiner Wohnung in den Hausflur hinein und eines Tages muss die Feuerwehr anrücken, weil Grambowski wieder mal vergessen hat, den Herd auszustellen und es in der Küche gebrannt hat. „Das geht so nicht mehr!“ sagen alle im Haus. Deshalb muss er raus. Grambowski bekommt einen Platz im naheliegenden Alten- und Pflegeheim. Er darf ein paar Dinge dorthin mitnehmen und entscheidet sich für seinen Fernsehsessel, eine Stehlampe, zwei kleine Plüschbären, die er mal auf einem Jahrmarkt geschossen hatte und ein Fotoalbum, das ihm Marie damals geschenkt hatte.  Viel mehr passt auch gar nicht rein in sein Zimmer im 2.Stock des Gebäudes, das nun seine letzte Station geworden ist. Am Anfang hat er noch ein paar Kontakte zu einigen Mitbewohnern, doch nach ein paar Monaten verliert er diesen nach und nach und versinkt immer tiefer in die Demenz.

Doch bevor Grambowski sein Leben, das diese Bezeichnung eigentlich gar nicht mehr zu verdienen scheint, aushaucht, bevor dies geschieht, wartet noch eine allerletzte große Rolle auf ihn …

Und wenn ihr wissen wollt, welche das ist, dann schaut euch im Mai 2025 eine unserer Aufführungen von „Grambowskis letzte Rolle“ in Kelkheim an. Oder bestellt euch das Manuskript bei der theaterbörse.